Aural Colors

Aural Colors

David Helbock Trio - Aural Colors „Es ist ein Luxus, Stücke erst mal länger live spielen und entwickeln zu können, ehe man sie aufnimmt“, stellt David Helbock glücklich fest. Die Partner für sein jüngstes Album, die beiden Wiener Raphael Preuschl und Herbert Pirker, lernte er bereits 2010 kennen, als er aus seiner alten Heimat Vorarlberg in die österreichische Hauptstadt gezogen war. „Die beiden sind sehr umtriebig in verschiedenen Formationen und seit 15 Jahren eine eingespielte Rhythmusgruppe“, erzählt Helbock, „ihr Spiel passt perfekt zu meinen Kompositionen.“ Seit 2010 sorgte der vielfach ausgezeichnete 30-jährige Pianist vor allem mit seinem nonkonformistischen Trio Random/Control international für Aufsehen. Dessen hochverdichteter Einsatz diverser Blech- und Holzblasinstrumente präsentiert(e) sich auf bislang zwei Alben und in vielen Konzerten als virtuos-gewitzte Ausnahme-Erscheinung. Auch Helbocks aktuelles Trio zeigt unkonventionelle und humorvolle Facetten. Raphael Preuschl (*1977) zupft nicht etwa Kontra- oder E-Bass, sondern eine Bass-Ukulele. „Sie klingt sehr laut und perkussiv, in gewisser Weise recht afrikanisch, was gut zu meiner Musik passt“, freut sich David Helbock. Entsprechend dynamisch, mitunter beinahe eruptiv spielt Herbert Pirker (*1981) sein Schlagzeug. In lyrischen Passagen ausgesprochen sensibel, in schnellen Momenten mit pointierter Energie und harten Beats, die sich fast schon Rock-Ästhetik nähern. Pirker arbeitet ebenso mit Jazzern (z. B. Louis Sclavis) wie mit Pop-Bands, beispielsweise der Münchener Rapperin Fiva alias Nina Sonnenberg. Sicher ist er kein leiser Drummer; seine kraftvollen Einsätze akzentuieren den bisweilen etwas struppigen Charme von Helbocks Stücken. Bevor das Trio ins Berliner Traumton Studio ging, waren die Musiker rund um den Globus unterwegs. Sie gastierten in Mexiko und tourten durch Australien, spielten in Tschechien und Marokko, begeisterten in Kuala Lumpur, Addis Abeba und Wladiwostok. So wuchs das intuitive Einverständnis, das ihnen während der Aufnahmen zugute kam. „Wir haben in einem Raum und ohne Kopfhörer gespielt, später weder Schnitte noch Overdubs gemacht“, beschreibt Helbock die kreative und lebendige Atmosphäre im Studio. Der Spaß des Trios ist auch auf CD offenkundig, zumal Martin Offiks Produktion die Intensität des Moments einfängt und ein Gefühl unmittelbarer Nähe vermittelt. „Ich spiele gerne mit unterschiedlichen Projekten, um nicht in Routine zu verfallen“, sagt David Helbock, „das Duo mit Simon Frick und mehr noch Random/Control sind aber ziemlich arbeitsintensiv. So wuchs mein Bedürfnis, mal eine unkompliziertere Band zusammenzustellen.“ Dabei meint Helbock nicht die Musik an sich. „Die Stücke des neuen Albums sind kaum weniger komplex, zumal wir auch einige ältere, umgeschriebene Kompositionen im Repertoire haben“, resümiert der inzwischen in Berlin ansässige Tastenmagier. „Aber die Dichte der Ereignisse ist geringer. Durch transparentere Arrangements steht die Musik mehr im Zentrum.“ Absichtsvoll lichtete das Trio im Lauf der Zeit immer mehr die Instrumentierung. Raphael Preuschl konzentrierte sich irgendwann ganz auf die Bass-Ukulele, David Helbock ließ alle Keyboards und Elektronik weg. „Eine Zeit lang suchte ich nach neuen Sounds und probierte viel aus. Letztlich kam ich aber zu dem Ergebnis, dass ich interessantere Klänge kreieren kann, indem ich die Klaviersaiten manipuliere“, beschreibt David Helbock seine derzeitige Fokussierung auf die mechanischen Möglichkeiten des Flügels. Präparierungen sind seit John Cage grundsätzlich geläufig, Helbock orientiert sich indes eher an Ideen George Crumbs. „Ich benutze nur solche Manipulationen, die ich schnell wieder entfernen kann“, erklärt er, „und wenn ich die Saiten mit der Hand zupfe oder Akkorde streiche, markiere ich mir vorher genau die Stellen, an denen ein bestimmter Klang entsteht.“ Helbocks Griffe ins Innere des Flügels verlassen also die traditionelle Ebene spontaner Improvisation und Aleatorik, werden vielmehr zu ausgeklügelten Teilen der Komposition. Improvisiert wird natürlich trotzdem. Beispielsweise die spätromantisch anmutende Einleitung von „Horus and Jesus“, die Helbock ohne Begleitung spielt. Ebenso seine Transzendierungen in drei Schönberg-Variationen des aktuellen Albums. „Vor knapp zwei Jahren wurden wir vom Outreach Festival in Tirol eingeladen, dort war Schönberg das übergeordnete Thema. Es gibt einen Briefwechsel zwischen Schönberg und Kandinsky und ich beschloss, über die Bilder Kandinskys zu improvisieren“, skizziert David Helbock die Geschichte dieser drei Variationen. „Natürlich könnte ich nach dem Hauptthema einfach ein Jazzsolo spielen, aber das finde ich uninteressant“, beschreibt Helbock seinen Anspruch, „also versuche ich, Schönbergs Motive weiterzudenken.“ So mutiert der Klassiker unter David Helbocks Händen zu einem zeitlosen Vexierspiel, in dem sogar Erinnerungen an Blues aufleuchten können. Eine Art Transformation erfuhr auch das von Random/Control bekannte „Öpfili“. Dessen Grundmelodie ist in der Volksmusik verwurzelt, sein verrückter, vorwärtsdrängender Groove stammt aber von Helbock. Ebenfalls erweist er seinen ewigen Helden Hermeto Pascoal und Thelonious Monk erneut Referenz, jeweils mit selbst geschriebenen Stücken. „Auch wenn mich kurzfristig immer wieder andere Musiker begeistern, komme ich stets auf Monk und Pascoal zurück, weil die beiden so konsequent ihr eigenes Ding durchgezogen haben.“ Pascoals bedingungslose Hingabe fasziniert Helbock ebenso wie Monks individueller Stil, „Komposition und Improvisation zu vereinen, statt sie auf die alte Art zu trennen.“ Künstlerische Entschlossenheit gehört fraglos auch zu David Helbocks Charakter. Bei jeder neuen Produktion überrascht der variable Virtuose mit persönlichen Ideen, die dem Zeitgeist eine Nase drehen und eindrucksvolles Profil zeigen.

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